27.05.10

1. 
es riecht nach neuschnee und der himmel verspricht gnade. 
er wird die dinge ungeschehen machen.   
wenigstens für den moment, 
da der schnee noch unberührt ist. 

morgen schneit es, denkt sie. 
und es wäre eine gelegenheit:  
hinausgehen. zu ihm gehen. 
sich noch einmal neu erfinden – lassen. 

„erfinde mich. erfinde mich neu“, hatte sie gesagt,  
fast flehentlich, fast drohend. 
„erfinde mich noch einmal!“ 

die möglichkeit schien zum greifen nah:  
etwas anderes sein, eine andere sein 
als die, die sie geworden war.
 

was ist noch möglich?  
ein mann, ein kind. ein haus.  
sie hatten sich eingerichtet und gewöhnt an das, 
was man standard nennt. 

der duft nach neuschnee.  
und ein kuss aus längst vergangener zeit  
ist noch nicht lang genug her,  
um ihr herz in aufruhr und die zeit 
aus dem rhythmus zu bringen.